Geringe Mengen Cannabis oder Marihuana – Wie geht die Justiz hiermit um?

Aktuell sah sich das Amtsgericht Bernau außerstande einen Fall zu entscheiden, bei dem es darum ging, dass ein Angeklagter 2,6 Gramm Marihuana mit sich geführt hat, ohne im Besitz einer hierfür erforderlichen Erlaubnis zu sein.

Die Staatsanwaltschaft hat im Verfahren einen Strafbefehl in Höhe von 20 Tagessätzen beantragt. Das Gericht sah sich gehindert diesen Strafbefehl zu erlassen, und hat stattdessen einen Termin anberaumt. Das Gericht regte im Termin eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit an, nach § 31 a BtMG bzw. 153 StPO. Hierzu erteilte sowohl die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte, als auch die Verteidigung, keine Zustimmung. Die Staatsanwaltschaft beantragte sodann die Verurteilung des Angeklagten, die Strafverteidiger beantragten Freispruch bzw. die Vorlage zum Bundesverfassungsgericht.

Diesem Antrag kam das Gericht nach, weil es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des BtMG im Hinblick auf alle in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG genannten Cannabisprodukte hat.

Das Gericht führt hierzu aus:
„An einer Bestrafung des Angeklagten oder einer Schuldfeststellung im Sinne des § 29 V BtMG sieht sich das Gericht jedoch gehindert, weil es aufgrund allgemein zugänglichen Quellen zur Überzeugung gekommen ist, dass die hier zur Anwendung kommenden Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes und deren hieraus folgenden zuvor aufgezeigten Problematiken nach Maßgabe des Beschlusstenors zur sicheren Auffassung des Amtsgerichts verfassungswidrig sind. (Vorlagebeschluss des AG Bernau, Az: 2 Cs 226 Js 7322/19)“

Mit guten Gründen führt das Gericht in über 100 Seiten im Beschluss aus, dass die Gefährlichkeit von Cannabisprodukten, die zur Aufnahme ins Betäubungsmittelgesetzt geführt habe, durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse neu zu bewerten sei. Gerade durch die Freigabe von Cannabis im medizinischen Bereich und neue Studien, sei eine solche Neubewertung veranlasst.

Ähnliche Beschlussvorlagen gab es in der Vergangenheit schon mehrfach, die letzte richtungsweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts datiert vom 09.03.1994. In dieser Entscheidung bejahte das BVerfG noch grundsätzlich die Gefährlichkeit von Cannabisprodukten. Allerdings wies das BVerfG ausdrücklich darauf hin, dass bei Fällen von ausschließlich gelegentlichem Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten, ohne Fremdgefährdung, ein Absehen von Strafe oder Strafverfolgung geprüft werden müsse, um dem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt Rechnung zu tragen. Die Vorschriften des BtMG müssten dann verfassungskonform ausgelegt werden.

Im Anschluss haben die Strafverfolgungsbehörden in nahezu allen Bundesländern durch Verfügungen oder Rundschreiben versucht, einen ähnlichen Umgang mit dieser Entscheidung in der Praxis sicherzustellen. Es wurde überwiegend verfügt, dass bei Mengen von ca. 6 – 10 Gramm, insbesondere bei erstmaligen Verstößen, eine Verfahrenseinstellung erfolgen solle.

Auch das BayObLG hat in seinem Beschluss vom 26.05.1982 (vgl. NStZ 1982, 473) bereits festgestellt, dass die geringe Menge im Sinne des § 29 V BtMG zwei bis höchstens drei Konsumeinheiten umfasse und die Obergrenze der geringen Menge für Haschisch, je nach Qualität, bei 3 g bis 6 g zu ziehen sei. Dabei ist von der Gewichtsmenge auszugehen. In solchen Fällen sei nach § 29 V BtMG von Strafe abzusehen.

Leider wird in der Praxis, insbesondere in Bayern, von dieser Regelung viel zu selten Gebrauch gemacht, gerade bei Wiederholungstätern, obwohl die Regelung auch bei einem lediglich gelegentlichen Konsum anzuwenden ist.

Es bleibt daher mit Spannung die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Beschlussvorlage abzuwarten, und in der Zwischenzeit gerade bei geringen Mengen von Cannabis, Marihuana oder Haschisch, für ein Absehen von Strafe oder eine Einstellung zu kämpfen!